Als Johann Wolfgang von Goethe 1786 auf seiner Italienreise durch das Obere Isartal und Mittenwald reiste, beschrieb er die Region mit seinen bunt bemalten Häusern als lebendiges Bilderbuch – mein Ziel ist es, dass dieses Buch nicht zugeklappt wird und ich die 300-jährige Geschichte der Lüftlmalerei mit meinen Werken bereichern und weiter am leben erhalten kann!
Lüftlmalerei
Als Lüftlmalerei bezeichnet man die bemalten Fassaden, meist profaner Bauten, die in einer recht klar definierbaren Region zwischen München und Innsbruck und bis in die langen Seitentäler des Voralpenlandes zu finden sind.
Das Zentrum der heute weltweit bekannten Lüftlmalerei ist das Werdenfelser Land von Mittenwald bis Oberammergau. Die vielseitigen Malereien, die in dieser Region geballt vorkommen, sind auf die Handelsstraße und das Rottwesen zwischen Venedig und Augsburg zurückzuführen und lassen die künstlerischen Impulse aus Italien und Augsburg erkennen. Darüber hinaus bescherte der pulsierende Sakralbau des Barock und Rokoko den Bergtälern Wissen und Einfluss der sich hier aufhaltenden, hochkarätigen Künstler damaliger Zeit.
Die heute bekannten Künstler der Lüftlmalerei stammen meist aus der bürgerlichen Handwerkerschicht und kamen nur selten in den Genuss einer höheren Ausbildung. Talent und ein Auge für das große Ganze hatten sie allemal, natürlich auch die Vorbilder der in der Region wirkenden Kirchenmaler, wie die Gebrüder Asam oder Matthäus Günter, um nur zwei Vertreter zu erwähnen.
Mit 4 Jahren äußerte ich meinem Vater gegenüber, dass ich später einmal Lüftlmaler sein würde. Heute blicke ich knapp 40 Jahre später auf einen steinigen Weg zurück, doch schätze mich sehr glücklich dieses wertvolle Kulturgut Oberbayerns und der Alpenregion mitgestalten zu können.
Was ist Lüftlmalerei? Neben der klassischen Definition aus verschiedenen Angaben und Quellen kunstgeschichtlicher Ansätze, sehe ich das Wichtigste dieser ganze Straßenzeilen und Ortsansichten schmückenden Volkskunst darin, dass sie eine Region definiert und nicht eine Epoche der Kunst prägt.
Dabei gibt es beim genauen Hinsehen klare Unterschiede und gleichzeitig Parallelen zur weltweit gewaltigen Bewegung der Streetart-Szene. Grundsätzlich ist es ein Anliegen der Künstler die sich im Außenbereich betätigen, der Bevölkerung und dem Betrachter jeglicher gesellschaftlichen Schicht den Anreiz zu geben, sich mit Kunst auseinanderzusetzen und zu identifizieren. Das bedeutet für die Lüftlmalerei, dass man genaugenommen nur von ihr sprechen kann, wenn die Fassadengestaltung von figuralen Darstellungen und Szenen aus dem Alltag der Menschen der jeweiligen Region und der Geschichte des Ortes, Hauses und der Familie dominiert wird. Eine schöne Beschriftung und die farbige Einfassung eines Fensters kann demnach auch nicht als Lüftlmalerei gesehen werden.
In die Lüftlmalerei fließen immer die Form und architektonische Gliederung eines Gebäudes, sowie dessen Ausrichtung und Ansicht in der Straße und dem Ort mit ein. Das spielt für den Graffity-Künstler im Hinterhof einer Industriehalle im Gewerbegebiet einer Stadt eher keine Rolle. Der Lüftlmaler will nicht provozieren, sondern durch die Bildsprache zum Nachdenken anregen, in einer Zeit, in der der Glaube noch durch monumentale und theatralische bildliche Darstellungen vermittelt wurde. Gleichzeitig fügen sich die Ausführungen solcher oft dekorativen Ornamentmalereien in die Ansicht eines Gebäudes und der landschaftlichen Struktur ein. Dies ist auch den verwendeten Farben zuzuschreiben, die seit der Renaissance auf natürlichen mineralischen Pigmenten basieren und eine pastellige Farbgebung erschaffen, die wir für ein Haus als überaus harmonischen empfinden.
Der Lüftlmaler macht sich gezielt Gedanken zur Farbgebung und der Vielfalt der Verzierungen im Kontext zur kunsthandwerklich bereits schon ästhetischen und von Zimmermannskunst geprägten Architektur, wie sie in der ländlichen Bauweise der Alpenregion üblich war.
Es ist mir sehr wichtig meine Lüftlmalereien mit Bauherren oder Eigentümern eines Hauses abzustimmen, und Gestaltung und Umfang der Malereien vorab durch Recherche und Studie des Ortes zu definieren, da nur so meine Kunst im Sinne der Entwicklung in den letzten Jahrhunderten einen Beitrag zum Fortbestand der Geschichte der Lüftlmalerei leisten kann!
Die Faszination der Bergwelt hat in der Kunst immer schon eine bedeutende Rolle gespielt: wurde sie vor allem in der Malerei der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und im Laufe der folgenden Jahrzehnte, durch den stetig mehr in Mode kommenden Alpinismus, immer wieder aufs Neue aus der Sichtweise der Künstler der jeweiligen Epochen inszeniert. Dabei haben die ersten Künstler wie der Engländer William Turner nie einen Berg bestiegen.
Den Höhepunkt erreichte diese Bewegung um 1900, als der Pioniergeist populärer Alpinisten durch ihre Erstbesteigungen bekannter Gipfel auf die zeitgenössische Kunstbewegung in den Städten traf. Dadurch wurde das Thema besonders für die breite Masse der Gesellschaft relevant und war der Startschuss für den Tourismus in den Alpen.
Oft schwingt in der Bildsprache und den Anspielungen zu gesellschaftlichen Themen etwas komödiantisches und sarkastisches mit, was ich als Aufgabe dieser Kunst verstehe. Unter Einhaltung ethnischer und moralischer Grenzen werden bewusst gesellschaftliche und soziale Themen der jeweiligen Zeit aufgefasst, wenn oft versteckt und zweideutig. Hier liegt die eindeutige Parallele zur Streetart, eine Message zu vermitteln!
Neben der Anlehnung an die Techniken und Stile der Künstler der letzten Jahrhunderte, ist die Verwendung von klar definierten und ganz bestimmten Farbtönen essentiell. Dabei kommen nur neun Farbtöne, sowie schwarz und weiß zur Verarbeitung. Das ermöglicht es mir mit den gleichen Farbtönen ein Bildnis zu erschaffen, wie der Lüftlmaler von damals am erhaltenen Gasthaus nebenan. Durch die Verwendung eben dieser Farbtöne kann ich meine neue Gestaltung harmonisch zwischen die schon bestehenden historischen Malereien eingliedern. Gleichzeitig kann ich auf moderne Farbsysteme zurückgreifen, mit welchen sich auch auf modernen Wärmedämmsystemen eine Fassadengestaltung im ursprünglichen Stil realisieren lassen.
Seit knapp zwei Jahrhunderten prägt die Erfolgsgeschichte der Firma Keimfarben in Augsburg mit ihren bewährten Farben die Fassadenkunst von damals bis heute, und ermöglicht den Künstlern durch die Auswahl an Farbtönen, selbst auf den neuzeitlichen Untergründen moderner Fassaden eine Gestaltung in traditioneller Art und Weise auszuführen.
Mehr zu den Keim Farben.
Moderne Farbsysteme werden „al-secco“ aufgetragen und unterscheiden sich von der „al fresco- Technik“ der Renaissance, welche noch auf den frischen Kalkputz ausgeführt wurden, dadurch dass sie auch heute noch in ihrem ursprünglichen Glanz erstrahlen.
Wussten Sie schon, dass die Lüftlmalerei...
- als weltgrößte Freiluft-Galerie 300 Jahre Geschichte in Form der Bildsprache vermittelt.
- der jeweilige Lokalkolorit einer Region durch die Darstellung von Ortsansichten, Trachten oder geschichtsträchtigen Ereignissen unverwechselbar integriert wird.
- figurale Darstellungen einen sozialen Aspekt in einem gesellschaftlichen Kontext schaffen.
- durch das Gesamtarrangement aus Ziermalerei, Ornamenten, Beschriftung, der dekorativen Einfassung von Fenstern und Türen, sowie der Gliederung einer mehrstöckigen Fassade durch gemalte architektonische Elemente im landschaftlichen Kontext einer Region definiert ist.
- von regionalen Künstlern geschaffen wurde, die meist aus dem handwerklichen Milieu ihres Wohnortes kommen.
- vor dem 19ten Jahrhundert durch den einzigartigen Gestaltungsstil des jeweiligen Künstlers vor Ort geprägt sind, und sich somit stilistisch voneinander unterscheiden.
- heute „al secco“ auf den oft schon trockenen Putz aufgetragen wird; bis 1800 wurden die Malereien noch als klassisches Fresko ausgeführt.
- als laienhaft anmutende Volkskunst heute oftmals größeren Bekanntheitsgrad genießt, als die Werke der akademischen Hof- und Kirchenmaler des Barocks und Rokoko.
- durch neuzeitliche Motive in Anlehnung an die Farbgebung historischer Gemälde eine wichtige Rolle im Erhalt der regionaltypischen Kunst am Bau übernimmt und so die Geschichte der 300 Jahre alten Kunstform fortschreibt.
BR Wir in Bayern
18.03.2015 - Bernhard Ludwig Rieger